Ads bei Erwachsenen: Methylphenidat Erfahrungsbericht

Es muss zuvor gesagt werden, das nicht das Methylphenidat (Ritalin und andere Preparate) Deine Wahrnehmung verändern, sondern der erhöhte Dopamin-Spiegel. Soweit ich dies mit meiner bescheidenen Fachkunde erklären kann, werden mit Methylphenidat die Dopamin-Rezeptoren besetzt oder blockiert und dadurch erhöht sich der Dopamin-Spiegel. Dopamin gilt im Volksmund als Glückshormon, das z. B. bei intensivem Flow-Erlebnis ausgeschüttet wird. Dies lässt dich „durchhalten“, die nötige Konzentration aufbringen usw. Bei uns AD(H)S lern ist dieser Dopamin-Spiegel zu gering, bzw. gestört. Es werden bestimmte Botenstoffe nicht richtig übertragen.

Das heisst also, das Methylphenidat für uns kein Aufputsch- oder „Bessermensch“-mittel ist, sondern unser Leben normalisieren kann. Daher reagieren AD(H)S Menschen mit einer gewissen „Normalität“ auf das Medikament. Für viele der letzte oder beste Ausweg. Ich will nochmals daran erinnern, das ADS kein psychologisches Problem ist, sondern ein biologisches (Körper).

Das „Vorher“ und das „Nachher“ (Wie „anders“ reagiere ich mit Methylphenidat auf eine Lebenssituationen) wird mir immer erst richtig bewusst, wenn die Situation schon lange vorbei ist. Schade finde ich daher auch, das ich mich dadurch nicht sofort daran erfreuen kann. …und das würde ich so gerne. Eine Situation also als „anders“ wahrnehmen.

Hier mal ein paar Beispiele von mir:

Situation 1:

Ich liebe Karaoke und schmeisse Abends die „Maschine“ an. Ich lese den Text und singe. Ups! Ich lese einfach nur…. Ich meine, wo ist den nur die ungeheuerliche Konzentration, die ich sonst so benötigte um beim singen den Text mitzulesen? Futsch! Fließend ohne Probleme … und plötzlich versinge ich mich auch nicht mehr und das singen macht doppelt so viel Spaß!

Situation 2:

Ich telefoniere mit meinem Geschäftspartner. Ich verstehe Ihn! Ja, ich verstehe Ihn. Irgendwie ist mir sofort klar, was er meint. Eine Situation, die für mich völlig neu ist. Ich muss nicht mehr über das „Gesagte“ nachdenken. Wow!

Situation 3:

Ich rede mit meinem Lebensparter über ein Problem und lasse mich völlig auf Ihne ein. In dieser Situation wird mir kurz bewusst, das ich normalerweise schon längst auf „180“ gewesen wäre, weil ich ja Recht habe. Anders gesagt weil normalerweise das gefühl im Recht zu sein mir meine Stimmungsschwankungen „erlaubt“. Doch er trägt sachlich seine Ansicht vor und ich höre Ihm zu. Fast neige ich in dieser Situation dazu neben mir zu stehen und mich zu Fragen: „Wo bin ich!“. „Bin ich das überhaupt“?

Diese drei Situationen waren aber leider eine der wenigen Situationen, in denen ich „unmittelbar“ eine Wirkung des MPH gespürt habe. Andere Situationen reflektiere ich leider immer nur im Nachgang. Also nichts da: „Vorhang auf“. Ich könnte dann eher sagen: „Luftballons zerplatzt“ im Sinne von: Statt vieler Gedanken, fokusiere ich nur noch einen „Ballon“. Dies sehe ich aber nur, wie gesagt, wenn ich hinterher darüber nachdenke. Komisch!

Wenn ich ehrlich bin, erwarte ich von mir selber zu erkennen, was die Anderen an mir auch erkennen. Das ich das nicht tue, verunsichert mich. Nur so könnte ich mich schließlich selber „einschätzen“. Das bringt irgendwie mein Gleichgewicht meines „Ich bin“ durcheinander!

So scheint es vielen mit Methylphenidat zu gehen. Andere Berichte zeigen aber auch, das einige auch mit dem „Vorhang auf“ oder „der Nebel lichtet sich“ das ganze Beschreiben würden. Mein Therapeut (richtig wäre das Wort „Coach“) hat dazu einmal gesagt, dass es genau das sei was MPH (Methylphenidat) auslöst, nämlich die vielen „Gesichter“ der AD(H)S zu eleminieren oder zumindestens zu mildern. Da jeder auf sein AD(H)S anders reagiert, sind die Erafhrungsberichte auch so unterschiedlich.

Ein „der Nebel lichtet sich“ erkenne ich nur, wenn ich vor meinem PC sitze und die Dosis läst nach (meistens so nach 3-4 Std.). In diesem Zeitraum folgt dann auch die nächsten Einnahme. Dann ist tatsächlich manchmal ein visueller Effekt vorhanden. Ich sehe dann die Buchstaben kurze Zeit etwas doppelt, manchmal etwas verschwommen. Wenn dann das MPH wieder greift, löst sich diese Sinneswahrnehmung der Buchstaben am PC relativ schnell wieder auf.

Interessant sind aber doch dieses „unmerkbaren“ Veränderungen. Es ist schon klar, das jeder für sich verantwortlich ist im „rechtlichen“ Sinne. Wie ist es aber im „geistigen“ Sinne? …oder „moralisch“?

Wenn wir die Veränderungen nicht so wahrnehme, dann heisst das ja auch, dass wir uns unseren Stimmungsschwankungen nicht immer so bewusst sind. Erst durch die Einnahme von MPH ist mir klar geworden, dass einige Menschen durch mich schon gelitten haben müssen (Streitigkeiten, unnötige Diskussionen usw.). Andererseits sind die gleichen Probleme noch da, man reagiert aber anders und ist „offener“ und „konzentrierter“ für neue Lösungen.

Die Wechselwirkung zu den Dingen, die mir bisher den „Kick“ gegeben haben (rasantes Autofahren, rauchen und essen usw.) beschreibe ich hier.

3 Kommentare

  • medikinet

    hallo nach diesem wunderbaren artikel muss doch mal jemand ein Comment lassen.

    möchte gerne situation 4 hinzufügen:

    ohne Ritalin:
    ich stehe auf der Arbeit , hoffe das ich mit wenig arbeit wegkomme , alles strengt mich an und die zeit vergeht langsam , bin genervt und unzufrieden.

    mit:
    ich sprudel innerlich laufe hin und her auf der suche nach einer beschäftigung , ich erledige alles im handumdrehen die zeit vergeht und ich bin lockerer sprech leute an formuliere meine sätze rhetorisch heschickter sodass die leute mich auf anhieb verstehen und ich verstehe sie !

  • ADSSLER

    Hallo Mitstreiter,

    ich erkenne mich in vielem wider, habe heute die Diagnose auf ADS im Erwachsenenalter bekommen und ebenso Ritalin verschrieben bekommen:

    1)Zur Zeit bin ich gelähmt zu arbeiten, ich verspüre eine Unlust, mir fehlt der Antrieb und ich schiebe alles vor mir her. Nur Termindruck von aussen vermag meine Lethargie zu unterbrechen aber dann Laufe ich oft zu Höchstleistungen auf, sofern ich mich konzentrieren kann und sich keine Flüchtigkeitsfehler einschleichen. Ich wechsle oft die Stelle, damit ich immer aufs Neue motiviert werde durch neue Reize und positiver Nebeneffekt = Ich verdiene überdurchschnittlich, obdenn ich mit Geld nicht wirklich gut umgehen kann.
    2) Wenn ich mehrere Dinge zu erledigen habe, fehlt mir die Planung und die Organisation. Ich verhedere mich schnell. Kommt negative Kritik, dann lähmt mich das noch mehr.
    3) Ich habe oft Probleme bei Gruppendiskussionen zu folgen und falle den Gesprächspartner schnell ins Wort, vollende Sätze oder nicke ständig mit dem Kopf als würde ich dem Gespräch aufmerksam folgen, bin aber schon längst geistig abgedriftet.
    4) Ich verwechsele oft Wörter und korrigiere mich schnell, ich rede of zu schnell und unstrukturiert.
    5) Ich fahre zu schnell und zu lässig Auto. Anschnallen ist mir zu viel Arbeit.
    6) Ich bin sehr impulsiv, Provakationen nähme ich sehr aggressiv auf und kann dann sehr schnell auf ein tiefes Nievau absinken. Wenn es jemand darauf anlegt, kannn es auch in körperlicher Gewalt ausarten.
    7) Körperliche Hygiene, nur so viel wie nötig. Ebenso in Sachen Haushalt, so wenig Ordnung wie möglich und so viel Chaos wie nötig. Man findet alles aber es bleibt ein unaufgeräumtes Chaos mit Bergen von Kleidung auf nem Stuhl oder im Kleiderschrank oder Kisten voller Papierunterlagen.
    8) Ungerechtigkeit gegen mich oder Schwächere kann ich gar nicht abhaben. Das bringt mich schnell auf die Palme.
    9) Manchmal habe ich soviel Kreativität und Energie, dass ich vor Ideen sprudle. Paar Tage später verwerfe ich die genialsten Ideen. Es feht der Durchzug.
    10) Privat: Ich esse zuviel und unkontrolliert Abends Schokolade oder Süsses wenn ich einen stressigen Tag hatte. Folge = Übermässiges Übergewicht
    11) Ich habe keine Lust mich zu bewegen, entwickle mich zum Couch-Potato. Private Kontakte oder Freunde mittlerweile Fehlanzeige = Folge Verinsamung
    12) Finanzen: Ich trade Forex, mitllerweile erfolgreich. Ich schütte richtig Adrenalin aus, insbesondere wenns mal richtig gegen mich läuft weil ich mal wieder das Risikopotential ausgereitz habe.
    13) Ich träume von Motorradfahren, weiss aber es wäre Selbstmord. Ich bin fahrlässig und muss meine Grenzen testen, dass kann nicht gut gehen.
    14)In der Jugend hat Alkhol zur Entspannung geholfen, aber nach 2 Alkholfahrten mit Entzug des Führerscheins habe ich dem Alkhol adé gesagt. Mit Alkohol hatte ich ein anderes Leben, da hatte ADS keine Kontrolle über mich. Ebenso wie allen Saufkumpanen.
    15) Mein Leben ist ein Chaos. Ich habe keine Kontrolle darüber. Ebensowenig über meine Gefühle.
    16) Beziehungen führen schnell zu Trennungen. Und wenn sie länger halten dann nur mit vielen Kompromissen und aneinandervorbeileben oder im Zwist.
    17) Ich bin nicht unglücklich aber auch nicht wirklich glücklich. Oft existiert ein alles scheissegal Gefühl.
    18) Ich bin ein Daueroptimist und Stehaufmännchen. Aber mich bringt oft eine Kleinigkeit aus dem Konzept und dann stehe ich im Regen und sehe kein Fortkommen.
    19)Ich fühle mich ungeliebt oder oft unverstanden.
    20) Ich besitze eine ausgeprägte Menschenkenntnis. Mich kann man nicht ausnutzen, ich habe den 7. Sinn.

    Das alles ist nur ein kleiner Auszug. ADS ist keine Krankheit, es ist eine Pest. Es schränkt das Leben ein. Ohne ADS wäre ich Dank meines Intellekts wohl ein Genie, mit ADS bin ich ein zerstreuter Einstein.

    Fazit: Wenn Ritalin mein Bewusstsein und meine Wahrnehmung schärfen kann und mir dabei helfen mein Leben wieder mehr zu planen und mehr zu organisieren und meine Lethargie zu bekämpfen, dann sind Medikamente wohl das Kleinere Übel. Die Apothekerin hat schon nicht schlecht geschaut als ich das Rezept abgegeben habe. Ich probiers einfach mal aus und steigere langsam die Dosis, denn schlimmer geht es nimmer.

  • AnjaAnuschka

    Aber ich dachte als Ad(H)S-ler benötigt man ein Medikament, dass die zappeligkeit und unruhe in einem runtersetzt und nicht noch aufputscht. ich habe starke schlafstörungen und komme nicht zur ruh, bin immer aufgedreht….bei mir wurde vor einigen tagen erst ADS festgestellt, ich bin gerade 30 geworden und bin wg. der schlafstörungen zum psychologen gegangen. ich will aber kein medikament was mich noch wacher macht, ich brauch was zum runterfahren, pflanzliche und chemische schlaftabletten wirken gar nicht. hm

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